Innerer Friede bei Sri Chinmoys Konzert, Purabi Vladovicova, Bratislawa, Slowakei
Man sagt, dass wenn die Seele in die Welt kommt, sie die Rolle kennt, die sie in dem kosmischen Spiel des Göttlichen spielen muss. Demnach sucht sich die Seele die Umstände aus, in die sie hineingeboren wird: das Land, die Familie und sogar den physischen Körper und den Geist. Kleinkinder wissen das alles. Aber wenn sie größer werden, wird dieses Wissen vom Vorhang der Unwissenheit verdeckt. Wenn der Verstand entwickelt ist, verdeckt er den direkten Zugang zur Herzenswahrheit
Ich hatte das Glück, dass meine Eltern Gläubige waren; - aber sie zwangen mich nie, ihre Sicht des Lebens zu teilen. Ich erinnere mich daran, dass wir vor dem Essen gebetet haben. Wir widmeten einen ganzen Tag der Woche für Gott. Dann arbeiteten wir nicht, sondern sangen, beteten und lasen die Bibel. Ich mochte die Lieder am meisten. An manche kann ich mich immer noch erinnern.
Als ich heranwuchs und meine eigenen Möglichkeiten der Welt kreierte, sah ich auch Dinge, die mir nicht so gefielen. Meine Eltern waren „Siebente-Tag-Adventisten“. Wir wurden „Samstag-Menschen“ genannt, da wir den Samstag Gott widmeten. Alle meine Freunde machten das am Sonntag. Ich wollte nicht anders sein. Aber was mir am meisten missfiel, war der Glaube, dass die Adventisten die einzigen wären, die gerettet werden würden und in den Himmel kämen. Es erschien mir unfair, vor allem, wenn ich die Leute um mich herum sah, die auch nicht perfekt waren ... . Aber die Religion meiner Eltern hatte auch etwas Positives: Kinder wurden nicht gleich nach ihrer Geburt getauft, sondern erst mit achtzehn Jahren; so konnten sie für sich entscheiden. Und ich entschied mich, ungetauft zu bleiben.
Meine Entscheidung wurde sicher von der Ära beeinflusst, in der ich aufwuchs. Religion und Spiritualität wurden in den 1960er Jahren von Osteuropa nicht unterstützt, das Gegenteil war der Fall. Aber heute denke ich, war es einfach nicht der richtige Zeitpunkt für mich. Ich musste erst gewisse Dinge noch erfahren und erkennen, dass eine Welt ohne Gott leer ist.
Glücklicherweise ließen mich meine Eltern meinen eigenen Weg gehen. Sie fragten mich gewöhnlich, ob ich sie am Samstag begleiten möchte. Aber als sie sahen, dass es nutzlos war, bestanden sie nicht mehr darauf. Ich bin ihnen heute dafür dankbar.
Und so fing ich an, nach meinem eigenen Leben Ausschau zu halten. Ich studierte an der Universität, und fast nichts war unmöglich. Später heiratete ich und hatte drei Kinder. Ich las viel zu dieser Zeit. Ich las auch Bücher über Yoga, nicht wissend, was es in meinem späteren Leben bedeuten würde.
Ich war Englischlehrerin in der Sekundarstufe. Einer meiner Schüler interessierte sich auch für Yoga. Er entdeckte ein Buch von Sri Aurobindo und schrieb einen Brief an den Herausgeber, an den Aschram in Pondicherry. Da er sich mit seinem Englisch noch nicht so sicher war, bat er mich darum, seinen Brief durchzusehen. Er war ein sehr talentierter Junge. Eines Tages zeigte er mir die Antwort – einen Brief aus Pondicherry. Sie schickten ihm auch ein paar Bücher mit, und er gab sie mir zum Lesen. Auf diesem Weg wurde ich mit der Philosophie des Integralen Yoga bekannt. Die gefiel mir ziemlich gut, nur wusste ich nicht, wie ich sie in meinem Leben anwenden sollte. Ich wurde zu einem theoretischen Yogi.
Nichts in unserem Leben passiert nur zufällig. Die Dinge, deren Bedeutung wir anfangs nicht verstehen können, werden sich nach einer gewissen Zeit als eine Vorbereitung für etwas, das später kommt, entpuppen. Zehn Jahre später entschied sich mein Englischschüler, nach Indien zu gehen und ein Mitglied des Sri Aurobindo Aschrams zu werden. Und ich wurde Schülerin von Sri Chinmoy, der im gleichen Aschram groß geworden war.
Einmal zur Weihnachtszeit gab mir meine ältere Tochter ein Buch namens Know Yourself. Ich weiß nicht mehr, worum es ging, aber der Name des Buches schien die Richtung meines Lebens festzulegen. Wie Sri Chinmoy sagt:
In dem Moment, wo du weißt,
wer du wirklich bist,
werden alle Geheimnisse der Welt
ein offenes Buch für dich sein.
Aber der letzte Impuls kam, als mich meine jüngere Tochter, damals um die fünfzehn Jahre alt, fragte: „Erzähl‘ mir etwas über Gott.“ Ich muss dazu sagen, dass wir damals über Gott überhaupt nicht sprachen. Mein Mann war ein schlichter Atheist, und ich war eine Lehrerin im kommunistischen Regime. Ich sagte so etwas wie, es gibt ein kosmisches Bewusstsein. Aber das war offensichtlich nicht das, was meine Tochter hören wollte. Nicht zufriedengestellt, ging sie mit derselben Frage zu ihrem Vater. Dann suchte sie nach einer Antwort in verschiedenen christlichen Jugendorganisationen; aber ich weiß nicht, ob sie erfolgreich war. Für sie war ich nicht mehr die Expertin in dieser Sache.
Wir besuchten gemeinsam Hatha-Yoga-Kurse, und ich mochte das sehr. Wir wurden Vegetarierinnen, aber nur meine Töchter und ich. Mein Mann und mein Sohn waren, was das betraf, skeptisch. Ich kochte immer zwei Mahlzeiten: ein Fleischgericht und ein vegetarisches. Mein Sohn hat mir kürzlich gesagt, dass er es immer geschätzt habe, dass ich für ihn etwas mit Fleisch kochte, obwohl ich selbst Vegetarierin war.
Bald danach fand ich eine kleine Broschüre auf einem Esoterikfestival in Bratislava. Es kündigte ein Konzert mit Meditationsmusik am nächsten Tag in meiner Heimatstadt an. Das Konzert war am Nachmittag, weshalb ich gleich nach der Schule hinging. Es gab eine kurze Einführung vor dem Konzert, in der sie erklärten, was Mediation ist und uns zu einem Meditationskurs einluden. Das Konzert war wunderschön. Es war eines der wenigen Konzerte der Musikgruppe Mountain-Silence (dt. Bergesstille) in der Slowakei. Ich denke, die meiste Zeit des Konzertes weinte ich, auch wenn ich nicht verstand, warum ich nur dasaß und Tränen vergoss.
Ich ging mit meiner Tochter zum Meditationskurs. Da waren einige meiner Kollegen und ein paar meiner Englischschüler. Nach einem Monat erklärte uns Satyaki (der den Kurs hielt), dass wir Fotos zu seinem Meister Sri Chinmoy senden und ihn fragen könnten, ob wir seine Schüler sein dürften. Ich verstand nicht, wozu wir einen Meister bräuchten. Ich dachte, Satyaki wäre der Meister. Zudem sorgte ich mich, was passieren würde, wenn mich sein Meister nicht annehmen würde. Aber dann fand ich wieder neuen Mut. Es war mein erster Schritt ins Ungewisse auf dem spirituellen Weg, unverständlich für meinen Verstand, aber innerlich unvermeidbar.
Im November 1993 gab Sri Chinmoy ein Konzert mit Meditationsmusik in Bratislava. Satyaki lud uns alle ein. Wir fuhren dort mit unseren Hatha-Yoga-Freunden, die einen Bus organisiert hatten, hin. Ich erinnere mich, dass es an diesem Abend stark geschneit hatte. Der Bus traf wegen des Wetters etwa eine Stunde zu spät ein. Ich sagte mir, es mache keinen Sinn nach Bratislava zu fahren, da das Konzert beendet wäre, ehe wir dort ankämen. Aber unsere Hatha-Yoga-Freunde warteten geduldig auf den Bus, und so blieben auch wir. Wir kamen um acht Uhr dreißig in Bratislava an, lange nachdem das Konzert angefangen haben sollte. Dort fanden wir heraus, dass bis jetzt noch gar nichts begonnen hatte. Sri Chinmoys Flug war auch wegen des Wetters verspätet. So kamen wir zur richtigen Zeit an!
Da waren so viele Leute in der Halle, einige Tausend. Ich fühlte mich ein bisschen verloren. Aber Satyaki sagte uns, dass alle, die ihr Bild gesendet hatten, von Sri Chinmoy als seine Schüler angenommen worden sind. Es war ein spezielles Gefühl, auf das Konzert unseres Meisters zu warten. Und ich war glücklich, dass er uns angenommen hatte.
Das Konzert war anders, als ich es von Mountain-Silence in Erinnerung hatte. Es war sehr intensiv, besonders als Sri Chinmoy den Gong spielte, aber ich fühlte mich voller Friede. Ich kaufte mir das Band Flute Music for Meditation; zu dieser Zeit nicht ahnend, dass ich einige Jahre später selbst beginnen würde, Flöte zu spielen.
Nach dem Konzert gab Sri Chinmoy ein Fernsehinterview. Es war ziemlich spät, weshalb ich den Hatha-Yoga-Leiter aufsuchte und sagte, dass wir ja jetzt, wo das Konzert vorbei wäre, nach Hause fahren könnten. Er sah mich überrascht an und sagte: „Geh‘ niemals, bevor der Meister gegangen ist.“ Und Sri Chinmoy war nicht sein Meister, er war ein Schüler eines anderen Meisters.
Später war ich froh darüber, dass wir geblieben waren. Als das Interview vorbei war, durften wir von Sri Chinmoy Prasad nehmen (gesegnetes Essen, wie uns unsere Hatha-Yoga-Freunde später erklärten). Wir nahmen uns eine Banane und einen Keks. Ich wusste nicht, was ich mit dem Keks anfangen sollte, denn zu dieser Zeit aß ich nur gesundes Essen und überhaupt keinen Zucker. Da unsere Hatha-Yoga-Freunde aber mit großem Respekt vom Prasad sprachen, aß ich es letztlich.
Am Anfang unseres spirituellen Weges halfen uns unsere Hatha-Yoga-Freunde sehr. Sie halfen uns, zum Konzert zu gelangen, wo wir unseren Meister zum ersten Mal sahen. Sie erklärten uns eine Menge Dinge und erlaubten uns sogar, für einige Zeit in ihrem Aschram zu meditieren. Später trennten sich unsere Wege, aber ich habe immer noch schöne Erinnerungen an diese Zeit.
Nichts in unserem Leben passiert nur zufällig. Jede Erfahrung, genauso wie jede Person in unserem Leben, hat einen tieferen Sinn, auch wenn es gerade nicht so aussieht. Aber am meisten verändert sich unser Leben, wenn wir unserem eigenen spirituellen Meister begegnen. Dann gibt es nichts mehr zu sagen, außer Dankbarkeit anzubieten.
Purabi Vladovicova
Bratislava, Slovakei