Sri Chinmoy, damals 36 Jahre alt, von Nemi, New York, USA
Ich war ein sehr zurückhaltendes Kind, aufgewachsen in den Randbezirken von New York. Meine Familie war nicht religiös, ich jedoch begann mich in meinen Jugendjahren für Religion zu interessieren. Ich ging alleine in die Kirche, trat dem Kirchenchor bei (überwiegend Leute im mittleren Alter) und sogar der Sonntagsschule. Als jedoch mein letztes Jahr auf der Hochschule heranrückte, ließ mein Interesse nach; Religion schien mir zu begrenzt zu sein.
Während jenem Jahr fühlte ich Gewissensbisse, denn schließlich waren es die 60er Jahre und ich entstammte einer privilegierten Familie. Daher entschied ich mich dafür ehrenamtlich tätig zu werden. Es gab da eine besondere Schulklasse für behinderte Kinder, und ängstlich erschien ich dort eines Nachmittags zum sozialen Hilfsdienst. Dies brachte mir ein Angebot für eine Stelle als Helfer im Sommerlager in den Catskill-Bergen mit Dutzenden dieser Kinder ein. Meine Eltern, die es als Einwanderer zu etwas gebracht hatten, waren entsetzt. Ich jedoch bestand darauf. Sie fuhren mich in ihrem grau schimmernden 1959er Cadillac dort hinauf, nichts ahnend, dass ich in den darauf folgenden Wochen Yoga lernen, zum Vegetarier werden und Bücher über Wiedergeburt lesen würde. Auch ich ahnte nichts davon! Zudem freundete ich mich dort mit einem Jungen an, dem Sohn des des Leiters des Sommerlagers.
Im September ging ich in die Hochschule – leider, eine bedrückende Erfahrung. Hier stand ich also, war von einer der Eliteuniversitäten des Landes aufgenommen worden, und hasste diesen Umstand über alles. Irgend etwas fehlte. Einmal erzählte mir mein Freund, der in Michigan studierte, dass seine Familie auf einen spirituellen Lehrer gestoßen sei.
Schließlich, im Mai 1968, nahm ich eines Wochenendes den Zug von der Bostoner Universität Richtung New York, um dort diesen spirituellen Meister zu sehen. Mein Freund hatte nachdrücklich betont, dass egal was geschehe, ich solle meine Augen offen halten. Dies machte mir Angst und faszinierte mich gleichermaßen.
Ich wurde mit einem persönlichen Gespräch mit Sri Chinmoy gesegnet, zusammen mit meinem Freund. Wir fuhren in einem kleinen schwarzen Renault nach Manhattan, der mit Aufklebern von Blumenmotiven übersät war (so waren die Zeiten, ich jedoch bevorzugte eher Miniröcke anstatt den Hippiestil). Es war Samstagmorgen und es regnete leicht. Ich erinnere mich, mehrere Stockwerke bis zu Sri Chinmoys Zimmer in der 84. Östlichen Straße empor gestiegen zu sein.
Es war ein einfacher Raum, wo wir uns aufhielten, mit leeren, hintereinander aufgereihten Faltstühlen, entsinne ich mich. Weiße Vorhänge wogten im leichten Wind, und Sri Chinmoy, gekleidet im safrangelben Gewand, schritt vor den Fenstern auf und ab. Mein Eindruck war, dass alles sehr schlicht, sehr ruhig und sehr erhaben war.
Sri Chinmoy, damals 36 Jahre alt, sprach mit uns beiden. Wir saßen vor ihm. Er war sehr freundlich und mitfühlend und interessierte sich für mich und meine Familie. Er meditierte, wobei er seine Augen in seiner unnachahmlichen Art bewegte, und ich hielt meine Augen geöffnet. Ich fühlte, dass Sri Chinmoy alles über mich wusste. Er gab mir zwei Fotographien, des Transzendentals, das ihn in sehr tiefer Meditation zeigt.
Ich dachte nicht darüber nach, "Schülerin zu werden". Am nächsten Tag wurde eine Gruppenmeditation in Sri Chinmoys Wohnung abgehalten, an der ich teilnahm. Es war wie selbstverständlich, daran teilzunehmen.
Den ganzen Sommer über schlich ich mich aus meinem Elternhaus, um zusammen mit meinem Freund und seiner wohlwollenden Familie zu den Meditationen Sri Chinmoys zu fahren, der im Juli von Manhattan nach Jamaica, Queens, auch einem Stadtteil New Yorks, gezogen war.
"Ich habe soviel Glück" und "Alles Deine Gnade", Sri Chinmoys unsterbliche Lieder vom Sommer 2007 beschreiben sehr gut, was es mir bedeutet, im Alter von 18 Jahren mit Sri Chinmoy zusammengetroffen zu sein. Mein Freund ist lange Vergangenheit. Sri Chinmoy ist derjenige und einzige, der geblieben ist.
Nemi Fredner, New York, USA