Zu meinem Glück Schüler von Sri Chinmoy, von Sahatvam, Heidelberg
Ich denke wir alle haben - mehr oder weniger bewusst - das Ziel glücklich zu sein. Allerdings verstehen wir alle etwas anderes darunter, zumindest wenn wir es konkret formulieren. Das ist auch in Ordnung so, denn schließlich sind wir Individuen. Und auf dem Weg zu unserem ganz persönlichen Glück beschreiten wir ganz unterschiedliche Wege, die auch manchmal recht abenteuerlich, verwunderlich oder wunderbar sein können. Die Erfahrungen auf diesen Wegen sind es, die unser Leben so spannend und abwechslungsreich gestalten. Oft haben die Wege auch mehrere Spuren, auf denen wir uns gleichzeitig bewegen. Das kann dann schon mal zu einem Spagat führen, wie in meinem Fall.
In meiner Schulzeit, so etwa ab der 11. Klasse, entwickelte ich Interesse für Spiritualität. Da ich eine katholisch-christliche Erziehung genossen hatte, lagen die Anknüpfungspunkte auch in dieser Welt. Wir hatten einen netten Kaplan in unserer Gemeinde und mit ihm haben wir eine kleine Gemeinschaft aufgebaut, die sich mit der Gestaltung von Gottesdiensten, Vorträgen und gemeinschaftlichen Fahrten zu Orten der gelebten Spiritualität beschäftigte oder auch mal mit einem sozialen Projekt. Mich haben dabei immer der mystische Gehalt und die gelebte Botschaft angesprochen. Während des Studiums haben wir die Kontakte noch lose aufrechterhalten, aber so langsam hat sich dann alles verlaufen, das Studium trat in den Vordergrund.
Allerdings begann etwas Neues. Bei einem dieser internationalen Projekte in Deutschland lernte ich meine Frau kennen. Sie studierte damals Architektur in Ankara. Zwei Jahre später, nach Ende ihres Studiums, kam sie nach Deutschland und wir haben geheiratet. Damit kam in mein Leben ein neuer Wind aus einer ganz anderen Kultur. Für beide Seiten fordert eine solche Situation viel Toleranz und große Offenheit. Diese Grundübung war wichtig für mich, um später etwas annehmen zu können, was zu dem damaligen Zeitpunkt für mich noch undenkbar gewesen wäre. Denn ich war immer noch sehr in meiner christlichen Welt verwurzelt.
Meine Frau war da schon ein Stück weiter. Sie interessierte sich sehr für andere Religionen, gesunde Lebensweise und alle möglichen Themenbereiche aus der Esoterik. Nach und nach habe ich mich dann mit diesen Bereichen auch beschäftigt. Wir gingen zu Vorträgen, lernten verschiedene Gruppen kennen, lasen reichlich über Wiedergeburt, spirituelle Meister und so weiter. Im Vordergrund stand bei mir aber etwas anderes.
Spurwechsel. Anfang der 80er Jahre drehte sich mein Leben im Wesentlichen um die Frage, wie ich nach erfolgreichem Lehramts-Studium denn in den Beruf eintreten könnte. Es gestaltete sich äußerst schwierig, da weder im staatlichen noch im privaten Schulsektor ausreichend Stellen zur Verfügung standen. Außer Teilzeit war nichts zu machen. Das konnte aber nicht die Zukunft sein. Eine gewisse Verzweiflung machte sich bei mir breit. Ich hatte das Gefühl, überall gegen Wände zu laufen. Es ging irgendwie nicht vorwärts auf meiner Hauptspur. Eines Tages waren wir in der Stadt unterwegs und mein Blick fiel auf ein Poster mit der Aufschrift Meditation. Ich sagte zu meiner Frau: "Das wäre doch was für dich." Wir gingen dann aber doch gemeinsam hin. Den Vortrag hielt eine junge Frau aus dem Sri-Chinmoy- Zentrum in Heidelberg. Mich beeindruckte ihre Einfachheit, Klarheit und Unaufdringlichkeit. Es ging in der Vortragsreihe von vier Abenden darum, praktische Grundkenntnisse im Meditatieren zu erlernen. Wir gingen noch ein oder zweimal hin, dann überschnitt sich der Termin mit einem anderen Vortrag einer Referentin, die wir schon länger kannten. Damit war der Kontakt erst mal abgebrochen.
Spätestens jetzt beginnt der wunderbare Teil der Geschichte. Wir gingen im Oktober 1983 zur Frankfurter Buchmesse, um den Stand jener Referentin zu finden, wegen der wir den Meditationskurs der Schülerin von Sri Chinmoy abgebrochen hatten. Wir wollten uns mit frischer Literatur eindecken. Die Buchmesse ist groß, aber wir hatten Zeit, sicher auch einen Plan. Aber wir fanden den Stand nicht. Dafür fanden wir einen anderen. Nämlich den der Schülerin von Sri Chinmoy. Natürlich waren wir überrascht. Na, so ein Zufall. Zufall? Ein Zufall ist das, was einem zufällt, weil es so sein muss. Das ist Grundwissen Esoterik. Wir kamen wieder ins Gespräch, mit einem etwas schlechten Gewissen, dass wir nicht mehr zum Kurs gekommen waren und da wir uns sowieso mit Lesestoff eindecken wollten kauften wir eine Broschüre über den spirituellen Weg Sri Chinmoys zusammen mit einer Schallplatte mit einer Aufnahme seiner Flötenmusik. "Danke, alles Gute", Abgang.
Es gingen einige Monate ins Land. Jetzt liefen mehrere Spuren zusammen. Ich bewarb mich bei Schulen (tagsüber) und arbeitete nachts als Portier im Hotel. Parallel dazu lief die Beschäftigung mit verschiedenen spirituellen Gruppen. Die Flötenmusik von Sri Chinmoy hatte uns sehr gut gefallen und die Broschüre war sehr informativ und erhielt auch Auszüge aus Sri Chinmoys reichhaltigen Schriften. Einiges darin hatte mich tief beeindruckt. Ich spürte eine Tiefe, eine Bedingungslosigkeit der Hingabe, die ich anderswo nicht gefunden hatte. Irgendwo tief in mir schloss sich ein Kreis. Die Spur der spirituellen Sehnsucht aus meiner Schulzeit traf auf die neue Spur: die Reichhaltigkeit und die Authentizität gelebter Spiritualität verwirklicht in der Person eines lebenden spirituellen Meisters. Wir hatten uns aus der Broschüre ein Foto von Sri Chinmoy ausgeschnitten, das ihn in einem sehr hohen Bewusstsein zeigt und in einem Rahmen aufgestellt. So wurde er langsam zu einem Mitglied unserer Familie. Ab und zu hörten wir die Flötenmusik.
Aber wir suchten immer noch nach dem einen, richtigen Weg. Dem Weg zum Glück. Worin bestand für mich das Glück, damals? Ich brauchte einen Job, nicht irgendeinen, sondern, den für den ich zwei Staatsexamen abgelegt hatte, eine ganz schöne Investition. Und ich suchte jemanden dem ich mich, mein ganzes Leben, meine Träume und Ziele anvertrauen konnte, jemanden der vielleicht besser wusste, was gut für mich ist, als ich selbst. Eine hohe Anforderung! Ich las über schöpferische Imagination, über verschiedene Meister, ich suchte den Durchbruch. Ich wollte mein Leben in die Hände von jemandem legen, der mir den für mich richtigen Weg zeigen, mich führen konnte.
Ganz langsam wuchs in mir das Vertrauen, dass Sri Chinmoy diese Person sein könnte. Immer wieder las ich die Auszüge aus seinen Schriften. Die Einfachheit und Tiefe seiner Worte beeindruckten mich. Ich spürte die Aufrichtigkeit der gelebten Spiritualität in seiner Person. Während dieser Monate hatten wir keinerlei Kontakt zum Sri-Chinmoy-Zentrum in Heidelberg, wohl aber noch zu anderen Gruppen. Trotzdem war in aller Stille in den vergangenen Monaten etwas gewachsen, das stärker war als alles andere.
Anfang Januar 1984 rief ich die Kontaktadresse an, die in der Broschüre angegeben war und fragte, wie man Schüler von Sri Chinmoy werden kann. Damals war die Regelung noch so, dass man einen persönlichen Brief an Sri Chinmoy schrieb. Das habe ich dann an meinem Geburtstag getan. Den Brief habe ich noch heute als Kopie. Ich habe darin meine persönliche Situation geschildert, meine äußeren und inneren Bedürfnisse und warum ich diesen Weg gehen möchte. Es folgten bange Wochen des Wartens, da Sri Chinmoy sich auf einer längeren Auslandsreise befand und der Brief ihn spät erreichte. Dann, am 21. Februar, ein Anruf einer Schülerin von Sri Chinmoy, dass er mich und meine Frau als Schüler angenommen hatte. Große Freude und große Erwartung. Viele unausgesprochene Fragen, wie es jetzt weiter geht. Es ging weiter, oft nicht wie ich es mir vorgestellt hatte, aber immer zu meinem Besten, zu meinem Glück. Und das war es ja, was ich gewollt hatte. Das mit dem Job als Lehrer hat dann zunächst nicht geklappt. Diese Herausforderung habe ich jetzt nach 24 Jahren angenommen. Aber das ist eine neue Geschichte und viele andere liegen dazwischen. Der 21. Februar ist aber immer ein Tag, den ich feiere wie meinen Geburtstag, denn mit ihm begann für mich nicht nur eine neue Spur, sondern ein ganz neues Leben.
Sahatvam, Heidelberg